behinderter Hund – na und?

von Silvia G.

Nicki ist etwas über ein Jahr alt, ein fröhlicher Hund, ein herzlicher Hund, ein anhänglicher Hund. Den Kopf voller Flausen, verspielt und übermütig. Neugierig auf das Leben.
Klein, unschuldig, mit großen Augen und gespitzten Ohren sitzt sie da.
Ja, sie sitzt! Ihren Möglichkeiten entsprechend.

Nicki ist behindert. Von Geburt an.

Nicki wurde frei geboren, war einst Straßenhund in Ungarn. Deshalb gab es auch niemanden der dieses kleine Leben gleich nach der Geburt aufgrund dieser Behinderung beendet hat. Gut so!
Die kleine zarte Hündin fand sich nach einem Autounfall plötzlich in einer der Auffangstationen wieder, umgeben von hunderten Hunden. Dort hat sie gelernt sich durchzusetzen. Sie ist kein Hund der sich mobben lässt. Ganz im Gegenteil, sie beweist eine Stärke, ein Durchsetzungsvermögen und eine Souveränität im Umgang mit Artgenossen, die so manch einem gesundem Hund fehlt. Mit Menschen hatte sie allerdings zunächst nicht viel zu tun. Sie war zögerlich, vorsichtig, sehr zurückhaltend, aber durchaus neugierig. Deshalb belegte sie die einzige vorhandene Hütte im Zwinger. Diese Hütte war ihr, ihr ganz alleine! Sobald Mensch kam, verschwand sie darin, setzte sich aber in den Eingang und guckte raus, um zu sehen was jetzt wohl geschehen würde.
Und dann kam eines Tages kam eine nette Frau von einem deutschen Tierheim und sah dieses kleine, bezaubernde Wesen. Sie lies die Hündin reisefertig machen und nahm sie bei der nächsten Fahrt mit. Zunächst dachte sie, man könnte der Kleinen vielleicht durch eine Operation helfen. Denn sie ging noch immer davon aus, dass die gekrümmte Körperhaltung von Nicki auf eben jenen Autounfall zurückzuführen sei. Erst hier in Deutschland wurde festgestellt, dem kleinen Hund fehlen von Geburt an 2 Gelenke in beiden Hinterbeinen.
Nun stellte sich natürlich die Frage, wenn man Nicki nicht helfen kann – hat sie denn Lebensqualität?
Gekrümmt gehen, gekrümmt sitzen, der Hinterleib extrem schmal und deutlich niedriger gebaut, die Hinterbeinchen schwächer ausgeprägt, der Vorderbau stark und bemuskelt. Man wußte durch die gründlichen Untersuchungen Schmerzen hat sie keine. Und wenn man sie beobachtete stellte man fest, hier lebt ein zufriedener kleiner Hund, der nun dringend ein Zuhause brauchte.
Für uns war es nicht mit Aufwand verbunden einem gehbehinderten Tier ein Zuhause zu geben. Wir sind seit vielen Jahren auf alte Hunde eingerichtet, haben unsere wenigen Treppenstufen draußen mit Rampen überbaut, die Treppe im Haus ist oben und unten durch Gitter abgesichert, es kann also keiner abstürzen oder unbeobachtet nach oben gelangen, fürs Auto haben wir eine Einstiegshilfe und selbst an der Terrassentür wurde schon vor längerer Zeit für einen ebenen Zugang gesorgt.

Nicki auf der Treppenrampe

Nicki lebt nun seit Mitte Februar bei uns.
Sie ist wissbegierig, lernt schnell, mittlerweile ist sie stubenrein, bleibt bis zu 4 Stunden brav zuhause, kann auf Kommando “Sitz” und kommt auf Zuruf fröhlich heran. Sie geht sehr, sehr gern spazieren, lässt sich ihr Geschirrchen ohne Gezappel anlegen, jeder Gassigang wird zum Erlebnis für sie. Alles erschnuffeln, alles erkunden, überall muss die kleine Nase rein. Ihr entgeht nichts. Sicher, sie kann nicht stundenlang marschieren, aber bis zu 15 Minuten geht sie problemlos mit und wenn man ihr zwischendurch mal eine Pause gönnt, geht es auch ein Stückchen länger und weiter.

Nicki beim Gassigehen mit dem inzwischen verstorbenen Dackelchen Ede

Nicki bekommt regelmäßig Rückengymnastik, damit sich die Wirbelsäule nicht im laufe der Jahre noch stärker verbiegt. Die dafür erforderlichen Handgriffe konnten wir innerhalb 10 Minuten erlernen. Und die kleine Hündin geniest es sichtlich, wenn man diese Übungen 1-2 mal am Tag mit ihr macht. Dann streckt sie den Rücken und die Beinchen strampeln fröhlich in der Luft.
Wie jeder junge Hund hat Nicki natürlich erst vieles erlernen müssen. Und wie jeder junge Hund hat sie Schaden gemacht. Unsere Sofakissen haben sich rapide reduziert, das Hundchen hatte Spaß an den fliegenden Federn – wir weniger. Die Haustür hat einige Schrammen, sie wollte doch so gern mit wenn Frauchen oder Herrchen da raus gingen. Na gut, im laufe der nächsten Jahre wird diese Haustür wohl noch einige Schrammen mehr abbekommen. Der Teppich hatte eines Tages Fransen an einer Ecke, wo vorher keine waren und Stromkabel liesen sich herrlich zerkauen und in kleine Stücke zerlegen. Das alles ist vorbei. Sie hat gelernt, dass ein “braver” Hund so etwas nicht tut. Es hat bei ihr nicht länger gedauert als bei anderen Hunden.
Wenn wir Nicki durch den Garten flitzen und mit Nina -unserer Dackeline- spielen sehen, sehen wie schnell sie einem Vogel nachjagt oder freudig an die Haustür rennt, dann fragen wir uns oft, was wäre wenn sie nicht behindert wäre? Wie schnell wäre sie dann erst? Sie steht unseren anderen – nicht behinderten – Hunden in nichts nach!

Das Zusammenleben mit der kleinen behinderten Hündin hat unser Leben verändert – positiv verändert.
Anfangs wurden wir oft gefragt: “Schafft ihr das?” “Wie wollt ihr das denn alles hinkriegen?” “Wisst ihr, was ihr alles zu hören bekommt?”
Ja – wir wußten worauf wir uns einlassen. Wir wußten was uns so alles an Unverständnis begegnen würde. Was wir würden schlucken müssen…
Wir hörten oft: “ So etwas muss doch nicht sein!” oder “ Warum lässt man so was denn leben?” oder “Ihr seid doch bescheuert, so eine Verantwortung…” oder “Das Tier quält sich doch bei jedem Schritt, unternehmen Sie endlich was dagegen”
Ein oft gehörter Satz: “ Das ist doch eine endlose Belastung für eure Nerven.”
Ja – ist es, denn unsere Gesellschaft hat schnell die Spritze zum einschläfern in der Hand. Die meisten Menschen zwar nur verbal, aber es ist nicht immer leicht sich solch einen Käse anhören zu müssen. Mittlerweile sind wir abgehärtet. Wenn uns jemand nett nach Nickis Art zu gehen, zu stehen und zu sitzen fragt, geben wir nett und freundlich Auskunft warum es so ist, wie es eben ist. Viele verstehen – manch einer auch dann nicht. Wenn wir allerdings blöd angemacht, oder gar wüst beschimpft werden – dann gehen wir einfach weiter. Wortlos, denn dann ist jede Diskussion vollkommen sinnlos.
Liebe Leser ich kann Ihnen reinen Gewissens versichern – Nicki quält sich nicht. Ganz im Gegenteil. Sie ist ein lebensfroher, lebensbejahender, fröhlicher, aufgeweckter junger Hund mit ganz viel Spaß und Freude am Leben. Sie jagte fröhlich Schneeflocken, sie zerfleddert von Herzen gern Papierrollen, sie spielt mit unserer Dackeline ausgelassen und fröhlich, balgt sich mit ihr im Gras und fängt beharrlich Fliegen. Jeder Käfer ist für sie hochinteressant, jede Ameise wird mit der Nase verfolgt, jedes Mauseloch tief ausgehoben.

 Mit Nicki hat unser Leben etwas unvergleichliches und sehr bereicherndes erhalten. Sie bringt uns Fröhlichkeit, Licht und Sonne in den Alltag. Wir würden sie nicht mehr hergeben. Auch wenn sie sicher nicht so eine hohe Lebenserwartung hat, wie gesunde Hunde. Sie ist fröhlich und unbeschwert, sie bringt uns zum lachen und sie freut sich über jeden neuen Tag. Jeden Morgen begrüßt sie uns überschwenglich wenn wir runterkommen und das Schwänzchen wedelt dabei wild kreisend.
In unserer Gesellschaft ist alles was nicht normal ist, ein Grund zum wegsehen. Nun, Nicki ist nicht normal. Ihr Körper ist nicht normal geformt. Solche Tiere, Tiere mit Handicap, haben es in unserer Gesellschaft derart schwer, dass eine Vermittlung nur selten zustande kommt. Trotzdem hat es Nicki geschafft. Sie hatte sogar 3 Interessenten. Ihr einziger Vorteil – sie ist jung. Wäre sie überdies mehr als 6 Jahre alt, hätte sie in Deutschland fast keine Chance auf ein Zuhause mehr gehabt und in Ungarn schon gleich gar nicht.
Geben Sie ihrem Herzen einen Stoß, geben auch Sie einem behinderten Tier eine Chance auf liebevolles Zuhause. Es stört sich auch nicht daran, wenn sie 2 Nasen oder vielleicht ein schiefes Gesicht haben. Es nimmt Sie so wie sie sind. Und ebenso sollten wir auch die Tiere nehmen und akzeptieren, die körperliche oder geistige “Fehler” haben. Es lohnt sich! Sie bekommen tausendfache Dankeschöns zurück – von ihrem Tier.
Wenn Sie mehr über Nicki und ihr Leben lesen möchten schauen Sie bitte auf unsere Internetseiten:

www.Hunde-Oldies.de

Dort finden Sie auch zu vermittelnde Hunde, mit und ohne Handicap, die dringend ein gutes Zuhause suchen, unter anderem auch manchmal den einen oder anderen Cocker-Spaniel.